Trigger als Wegweiser: Praktische Impulse und Psychoedukation zur Selbstheilung
Hast du jemals das Gefühl gehabt, dass eine scheinbar harmlose Bemerkung oder eine alltägliche Situation eine Lawine intensiver Emotionen in dir auslöst?
Vielleicht bringt dich ein beiläufiger Kommentar in Rage, oder du wirst von einer tiefen Traurigkeit überwältigt, die du dir nicht erklären kannst.
Solche Momente, in denen uns die Kontrolle entgleitet, sind mehr als bloße Launen – sie sind Hinweise auf alte Wunden, die noch in uns wirken.
In meinem letzten Blogpost beschreibe ich eine für mich persönlich äußerst triggernde Begegnung – mit Milagro, einer verletzten Eselin. Mein Bedürfnis, sie zu retten, ging weit über reine Hilfsbereitschaft hinaus; es war ein Spiegel, der mir tief meinen eigenen Schmerz und meine Sehnsucht nach Heilung vor Augen führte.
Lesezeit: 10 Minuten
In diesem Blogpost lade ich dich ein, deine inneren Trigger als wertvolle Wegweiser zur Selbstheilung zu erkennen. Ich teile Impulse, die dir helfen, emotionale Blockaden zu verstehen und zu lösen – damit du Trigger-Situationen nicht mehr verdrängst, sondern langfristig transformierst.
Dieser Weg erfordert Mut, doch er birgt das Potenzial für eine tiefgreifende, heilsame Reise zu dir selbst.
Die Analogie der „Trigger-Tasse“
Bevor wir mit den praktischen Impulsen starten, ist es wichtig, das Konzept zu verstehen. Daher möchte ich dir eine kleine Analogie mitgeben:
Stell dir vor, jemand rempelt dich an und du verschüttest deinen Kaffee. Warum hast du den Kaffee verschüttet?
Nicht, weil dich jemand angerempelt hat — sondern weil Kaffee in deiner Tasse war.
Wäre stattdessen Wasser, Tee oder nichts in der Tasse gewesen, hättest du etwas anderes verschüttet – oder gar nichts.
Das Leben funktioniert genauso – wenn es uns „anrempelt“ und wir stark reagieren, tritt das hervor, was bereits in uns steckt.
Trigger-Momente machen sichtbar, was tief in uns verborgen liegt – ob Freude, Frieden, Wut oder Schmerz.
Bist du zufrieden mit dem, was überschwappt, wenn du getriggert wirst? Oder möchtest du lernen, es zu transformieren?
Wenn ja, ließ weiter.
Zunächst helfe ich dir dabei, herauszufinden, was in deiner inneren „Tasse“ enthalten ist, und zeige dir anschließend, wie du diesen Inhalt sanft transformieren kannst.
Trigger verstehen und erkennen
Ein Trigger ist ein Auslöser, der eine starke emotionale Reaktion hervorruft und oft in Konflikten oder herausfordernden Situationen auftritt.
Er kann intensive Gefühle wie Wut, Angst oder Traurigkeit mit sich bringen und sich auch durch körperliche Empfindungen wie Anspannung, einen Kloß im Hals oder Herzrasen bemerkbar machen.
Diese Reaktionen sind Hinweise auf tiefere, unverarbeitete Themen – den „Inhalt deiner Tasse“ – die nach Heilung und Beachtung rufen. Doch bevor wir an den Inhalt der Tasse gelangen, müssen wir uns zunächst mit dem Widerstand auseinandersetzen.
Widerstand deines Ego erkennen
Wenn wir getriggert werden, geraten wir oft in einen Zustand des Widerstands. Unser Ego tritt in den Vordergrund und versucht, uns zu schützen, indem es Überzeugungen und Gedanken erzeugt, die das Gefühl von Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit verstärken.
Dies hält unsere Aufmerksamkeit im Kopf und lenkt sie weg vom Körper. Der Widerstand zeigt sich häufig in folgenden verschiedenen Formen:
Die Opferrolle einnehmen:
Das Ego stellt Fragen wie „Warum ich?“, „Wie kann es sein, dass man mich so behandelt?“, „Was habe ich falsch gemacht?“, „Warum sieht mich niemand?“, „Niemand mag mich“ oder “Ich schaffe das nicht”.
Die Schuld auf andere projizieren:
Das Ego schiebt Verantwortung ab, indem es andere abwertet: „Der andere hat sich falsch verhalten“, „Was für eine schreckliche Person“ oder „Der ist einfach unmöglich/ gemein/ dumm/ ….. .“
Selbstabwertung und Schuldannahme:
Das Ego übernimmt die Schuld durch Selbstkritik: „Ich hätte mich anders Verhalten sollen”, “Ich habe etwas dummes gesagt“, „Ich lerne es einfach nicht“ oder „Ich werde es niemals lernen.“
Das Erkennen dieser Widerstände ist der erste Schritt, um aus dem Kreislauf auszubrechen.
Mitgefühl und Neugier als Werkzeuge zur Selbstbegegnung
Bevor wir uns dem Inhalt deiner inneren „Tasse“ nun wirklich zuwenden können, brauchen wir das Mitgefühl auf unserer Seite.
Erkenne an, dass jede deiner Reaktionen (Verhalten oder Emotion) ihre Berechtigung hat – sie sind Ausdruck deiner inneren Welt und versuchen, dir etwas mitzuteilen.
Begegne diesen Reaktionen mit der gleichen Geduld und Sanftmut, die du einem guten Freund oder einem Kind entgegenbringen würdest.
Erst wenn du dir mit Mitgefühl begegnest, öffnet sich der Raum für Neugier.
Du kannst dich erst dann ernsthaft fragen:
Was hat diese starke Reaktion in mir ausgelöst? Welche alten Wunden könnten dadurch angesprochen worden sein?
Mit dieser Haltung kannst du beginnen, dich selbst besser zu verstehen und deine inneren Muster zu erforschen.
Das folgende praktische Vorgehen macht also nur dann wirklich Sinn für dich, wenn du die Analogie der Tasse verstehst und bereit bist, die Schuld oder den Fehler nicht mehr im Außen zu suchen und aufhörst dich Selbst zu verurteilen.
Praktische Impulse zur Selbstbegegnung - „Wir widmen uns nun dem Inhalt der Tasse"
Aufmerksamkeit auf den Körper richten
Dein Körper ist der Zugang zu deinen Emotionen – er kommuniziert ständig mit dir, auch wenn du es vielleicht nicht immer bewusst wahrnimmst. Wenn du ihm deine volle Aufmerksamkeit schenkst, kannst du Zugang zu Empfindungen und Emotionen bekommen, die dein Verstand normalerweise unterdrückt oder die du durch Ablenkungen vermeidest.
Diese Übung ist besonders wirkungsvoll, wenn du gerade getriggert bist. Falls du sie ausprobieren möchtest, ohne aktuell getriggert zu sein, kannst du dir eine vergangene Situation vorstellen, die dich emotional stark berührt hat – zum Beispiel einen Streit mit deinem Partner, deinem Chef oder einem Familienmitglied.
Für Anfänger:innen ist es oft einfacher, diese Übung an einem ruhigen Ort zu machen, da es mitten im Konflikt schwieriger sein kann.
Setze oder lege dich hin und richte deine volle Aufmerksamkeit auf deine körperlichen Empfindungen. Spüre in deinen Körper hinein:
Wo fühlst du Anspannung oder Schmerz? Gibt es Wärme oder Kälte? Kribbeln oder Taubheit? Einen Druck? Vielleicht bemerkst du, wie sich Empfindungen im Unterbauch, im Bauch, in der Brust, im Hals oder im Gesicht zeigen.
Bei manchen Menschen zeigen sich kalte Hände, heiße Füße, ein brennendes Gesicht – oder auch das Gefühl, nichts zu spüren.
Das ist auch eine Wahrnehmung, die sich mit der Zeit verändern und klarer werden kann.
Gut zu wissen!
Unterschiedliche Trigger lösen unterschiedliche körperliche Empfindungen aus – nicht nur bei verschiedenen Menschen, sondern auch bei ein und derselben Person zu unterschiedlichen Zeitpunkten.
Finde den „Fingerabdruck“ oder die Signatur deiner spezifischen Trigger-Momente. Beobachte diese Empfindungen mit einer offenen und mitfühlenden Haltung, ohne sie zu bewerten.
So kannst du lernen, dich selbst besser zu verstehen und dir Raum für Heilung zu schaffen.
Wahrscheinliche Hindernisse - Das Gedankenkarussel
Während du deine Körperempfindungen beobachtest, tauchen oft Gedanken auf, die deine Aufmerksamkeit wieder weg vom Körper lenken.
Das ist völlig verständlich, denn diese Gedanken sind in der Regel Schutzstrategien, die versuchen, dich davon abzuhalten, die unangenehmen Empfindungen im Körper zu fühlen.
Deine Aufmerksamkeit ist dann auf den Verstand gerichtet und nicht mehr auf die Empfindungen deines Körpers, die gerade nach deiner Aufmerksamkeit schreien um zu heilen.
Dieses Gedankenkarussel zu unterbrechen, ist am Anfang sehr sehr schwer. Automatisch wiederkehrende Gedanken lassen sich nicht einfach „abschalten“ oder verdrängen.
Es erfordert Geduld und Mitgefühl – ähnlich wie im Umgang mit einem kleinen Kind. Sich selbst dafür zu kritisieren, dass es nicht sofort gelingt, führt aus meiner eigener Erfahrung zu noch mehr Widerstand.
Wenn es dir schwerfällt, das Gedankenkarussell zu unterbrechen, hilft es, dir bewusst zu machen, dass du nicht in diesen Gedankenkreisen gefangen bist.
Du kannst die Gedanken zunächst beobachten, anstatt dich vollständig mit ihnen zu identifizieren. Übe dies, bis du deine Aufmerksamkeit wieder auf den Körper lenken kannst. An manchen Tagen klappt es, an manchen nicht.
Einigen Menschen hilft es, diese Gedanken gedanklich in ein imaginäres Gefäß zu legen oder sie sich auf einem Stuhl im Raum vorzustellen. Andere finden das komisch, auch okay.
Finde einen Ansatz, der für dich funktioniert – es geht darum, zu erkennen, dass diese Gedanken nicht die absolute Wahrheit sind und sie mit einer beobachtenden und hinterfragenden Haltung wahrzunehmen.
Wichtig! Selbst wenn jemand anderes tatsächlich Schuld trägt, dich verletzt oder allein gelassen hat – du wirst keine tiefgehende Heilung in deinem Körper finden, wenn du dich ausschließlich auf deinen Verstand verlässt.
Wahre Transformation geschieht, wenn du deine Aufmerksamkeit aus dem Verstand heraus liebevoll und neugierig auf deine eigenen Körperempfindungen und Gefühle lenkst – ohne sie mit dem Verstand zu bewerten.
Solange du in Gedanken verstrickt bist und dich darauf fokussierst, dass der andere sich ändern müsste oder anders hätte reagieren sollen, bleibt der Zugang zu deinen eigenen Gefühlen blockiert.
Es geht darum, in einen Seinszustand zu gelangen, in dem du dich von Gedanken über dich selbst und andere löst, um dich zu spüren, dich anzunehmen und die innere Heilung zu erlauben.
Ursachen der dysfunktionalen Denkmuster
Wie du im ersten Teil erfahren hast, ist das Annehmen von Schmerz alles andere als einfach. Es erfordert viel Übung in Bewusstheit und Achtsamkeit, um zu erkennen, wann und wie wir denken – und dass unsere Gedanken nicht immer der Wahrheit entsprechen. Warum das so ist und wie wir Schritt für Schritt den Schmerz annehmen können, erfährst du im Folgenden.
Woher kommen diese Denkmuster?
Viele unserer Denkmuster stammen aus der Kindheit und dienten damals dazu, uns vor überwältigenden Gefühlen im Körper zu schützen.
Oft lenkten sie unsere Aufmerksamkeit ins Außen oder zumindest zurück in den Verstand, um uns vor der Intensität der körperlichen Erfahrung zu bewahren.
Die körperliche Erfahrung von starken Gefühlen kann als Kind nur dann sicher durchlebt werden, wenn es in einem liebevollen, geduldigen und neugierigen Umfeld von seinen Bezugspersonen begleitet wird.
Fehlt dieser Raum, lernt das Kind, sich in den Verstand zurückzuziehen – weg vom körperlichen Erleben, um die schwierige Situation auszuhalten.
Die unterdrückten körperlichen Empfindungen bleiben jedoch oft bis ins Erwachsenenalter im Körper stecken, bis wir selbst bereit sind, sie zu sehen und zu fühlen.
Warum fällt es mit so schwer zu fühlen?
Um deine Körperempfindungen wahrzunehmen und zu fühlen, brauchst du dieselbe liebevolle, geduldige und neugierige Haltung, die du dir als Kind von deinen Eltern gewünscht hättest.
Ich mache keinen Eltern irgenwelche Vorwürfe, sondern strebe lediglich eine sachliche Anerkennung dessen an, was gefehlt hat.
Wenn es deinen Eltern schwergefallen ist, dir diese liebevolle, geduldige und neugierige Haltung zu geben, ist es ganz normal, dass es dir jetzt ebenfalls schwerfällt.
Doch es gibt gute Nachrichten, du kannst es lernen, indem du immer wieder probierst deine Gefühle achtsam wahrzunehmen und zuzulassen. Niemand außer dir kann diese tiefen, verborgenen Empfindungen vollständig fühlen und verwandeln.
Wie lange dauert es bis ich geheilt bin?
Es erfordert viele Anläufe, und manchmal verbringen wir eine lange Zeit im Widerstand, bevor unser System such sicher genug fühlt, die verbergen schmerzvollen Empfindungen zuzulassen.
Nach meiner Erfahrung lässt sich dieser Prozess nicht erzwingen – man kann den schmerzvollen Empfindungen nur immer wieder einladen.
Heilung geschieht von selbst, wenn du dich sicher genug fühlst, genügend bedingungslose Aufmerksamkeit auf den Körper zu lenken.
Jegliche Erwartungshaltung, wie oder wann Heilung geschehen soll, wird den Prozess blockieren. Körper, Geist und vor allem die Herz-Wahrnehmung müssen weich und bedingungslos werden, bevor es uns gelingt, den Schmerz zu fühlen, ohne ihn verändern zu wollen.
Ist Heilung immer so anstrengend?
Ich möchte nichts beschönigen: Ja, Heilung kann bis zu einem gewissen Punkt anstrengend sein – und das liegt möglicherweise in der Natur des Wachstums.
Doch wenn der Höhepunkt des Leids erreicht ist und Bewusstsein eingeladen wird, passiert Heilung automatisch und unaufhaltsam. Während wir uns dem Schmerz vollständig hingeben und ihn durchleben.
Am Ende fühlt es sich an, als hätte man den Mount Everest erklommen. Die Klarheit, Gelassenheit und innere Freiheit, die danach spürbar werden, sind unvergleichlich.
Woran bemerke ich Heilung?
Heilung zeigt sich oft als Geburt oder Wiedergeburt eines Teils deiner inneren Stärke und deines Selbstbewusstseins. Das unbewusste Unterdrücken und Weglaufen vor dem Schmerz trägt häufig die Überzeugung in sich: „Ich kann das nicht aushalten.“
Doch wenn du dich dem Schmerz hingibst und ihn tatsächlich fühlst, erkennst du, dass du ihn halten kannst.
Zunächst mag es sich so anfühlen, als würdest du dich im Schmerz verlieren – als ob er niemals enden würde, überwältigend und unaufhaltsam.
Doch genau in diesem Raum, in dem du den Schmerz zum ersten Mal bedingungslos zulässt, erkennst du dich selbst auf eine Weise, wie du immer von anderen gesehen werden wolltest.
Genau das ist der Moment, in dem wahre Heilung geschieht.
Und da es bis hierhin vielleicht etwas theoretisch war, folgt nun eine —>
Schritt-für-Schritt-Anleitung zum praktischen Umgang mit Triggern:
Trigger erkennen und benennen: Der erste Schritt besteht darin, den Moment der Triggerung bewusst wahrzunehmen und zu erkennen, dass es sich um eine alte Wunde handelt, die aufgerufen wurde.
Mit Mitgefühl und Neugier begegnen: Anstatt dich für deine Reaktion zu verurteilen, begegne dir selbst mit Mitgefühl. Stelle dir die Frage: „Was hat diese Reaktion ausgelöst?“
Körperliche Empfindungen spüren: Richte deine Aufmerksamkeit auf deine Körperempfindungen. Wo fühlst du Anspannung, Schmerz oder andere Empfindungen? Beobachte sie, ohne sie zu bewerten.
Dysfunktionale Denkmuster erkennen: Viele Gedanken, die in Trigger-Momenten auftauchen, dienen als Schutzmechanismen. Hinterfrage, ob sie der Realität entsprechen oder alte Muster reflektieren. Lass alle Gedanken ziehen.
Den Schmerz bewusst zulassen: Erlaube dir, den Schmerz zu fühlen, ohne ihn wegzudrängen. Dies kann der Schlüssel zu tiefer Heilung sein.
Geduld und Hingabe kultivieren: Heilung ist ein Prozess, der Geduld und Hingabe erfordert. Es geht darum, immer wieder kleine Schritte zu gehen und sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen.
Abschließenden Gedanken
“Die Arbeit mit Triggern ist ein mutiger und tiefgehender Weg, der dich direkt zu den Wurzeln deiner Emotionen führt.”
Durch das Erkennen deiner Widerstände und das Zulassen von Mitgefühl und Neugier für deine Reaktionen kannst du alte Wunden sanft transformieren.
Der Prozess erfordert Geduld und Hingabe – manchmal fühlt er sich wie ein unüberwindbarer Berg an. Doch jeder Schritt in Richtung Selbsterkenntnis und Selbstannahme bringt dich näher zu innerem Frieden und Heilung.
Auch wenn der Schmerz überwältigend erscheint oder du in alten Mustern feststeckst, erinnere dich: Du kannst deine Gefühle halten und mit Liebe durchleben. Es geht nicht darum, den Schmerz zu besiegen, sondern ihm Raum zu geben und ihn zu fühlen, wie du es dir immer gewünscht hast.
Dieser Weg erfordert Mut, ist aber auch eine Einladung zur tiefsten Selbstbegegnung.
Möge dieser Ansatz dich ermutigen, liebevoller und geduldiger mit dir selbst zu sein und dich deinem authentischen, heilenden Selbst zu nähern.